Amtsgericht Denia. Ein Deutscher ist als Zeuge vorgeladen. Zum fehlerfreien Festhalten und zur wortgetreuen Wiedergabe seiner Aussage ist ein Dolmetscher von Nöten. Für solche Fälle kommt in den Amtsgerichten der Costa Blanca nur einer in Frage: Enrique Cisneros.

Der gebürtige Sevillaner arbeitete viele Jahre an der Costa Blanca als Gerichtsdolmetscher und hatte in 70% der Fälle mit Ausländern am Amtsgericht zu tun. Vor zwei Jahren sprach die Justizverwaltung der Landesregierung Valencia Enrique Cisneros an, für die Amtsgerichte in Denia und Benidorm selbständig den Gerichtsdolmetscher-Service zu stellen.

Cisneros willigte und unterzeichnete einen Exklusivvertrag mit dem valencianischen Justizminister. Darauf hin gründete er im September 2003 den offiziellen Dolmetscher- und Übersetzungsdienst für die Amtsgerichte.

Unterwegs in fremden Kulturen

Enrique Cisneros wurde 1964 in Sevilla geboren. Nach dem Schulabschluss entschied er sich für ein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität von Sevilla. Zeitgleich mit seinem Studium begann Cisneros mit einer Ausbildung zum Dolmetscher. Bei einem Auslandsaufenthalt an der Universität von Oxford reifte in ihm der Gedanke sein Studium im Ausland abzuschließen.

Ohne ein Wort Deutsch zu können, fiel die Entscheidung auf das westfälische Münster. Der enge Bezug zu der Lehre in Oxford sowie ähnliche geographische Gegebenheiten – Münster ist wie Oxford eine Universitätsstadt – gaben letztlich den Ausschlag. Um an den Vorlesungen teilnehmen zu können, war ein einjähriger Sprachkurs mit anschließender Prüfung obligatorisch. Hierbei kam ihm seine Sprachbegabung zu Gute. Nach nur sechs Monaten erhielt Enrique Cisneros die Studiumszulassung von der Universität Münster und konnte sein Hauptstudium antreten.

Dadurch dass sein in Spanien absolviertes dreijähriges Grundstudium an der Universität Münster nahezu volle Anerkennung fand, fiel der Studieneinstieg umso leichter. Lediglich die Fächer Privat- und Steuerrecht musste der 23-jährige Student noch einmal in Deutsch ablegen. Das wiederum half ihm bei seiner Ausbildung zum Dolmetscher. Denn parallel zu seinem Studium war der junge Spanier bereits als Übersetzer aktiv. So konnte er nach Abschluss seines Studiums sowohl einen Titel als Diplom-Volkswirt als auch eine erfolgreich abgelegte Dolmetscherprüfung vorweisen.

Wie aber wird man Gerichtsdolmetscher? „Das ist nach und nach gewachsen. Ich habe immer schon als Dolmetscher gearbeitet. Und als Dolmetscher wurde ich vor allem bei den verschiedenen Amtsgerichten gebraucht“, erklärt Enrique Cisneros. Sein weiterer Berufsweg führte ihn quer durch die weite Welt. Neben Tätigkeiten u.a. in Hamburg, Mailand und Straßburg war Enrique Cisneros ebenfalls in Amerika als Dolmetscher beschäftigt.

Worte auf der Waagschale

Der Aufenthalt in den verschiedenen Ländern kombiniert mit seiner Begabung fremde Sprachen relativ schnell zu lernen führten dazu, dass Enrique Cisneros über hervorragende Sprachkenntnisse verfügt. Neben seiner Muttersprache Spanisch beherrscht er ebenfalls Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch fließend. Ein nicht unerheblicher Vorteil in seinem Beruf als Gerichtsdolmetscher.

Doch nicht nur die Sprachkenntnisse, auch die erworbene ökonomische Vorqualifikation durch sein Wirtschaftsstudium stellten die Grundlage zum Eintritt in die Selbständigkeit. Das ist aber noch nicht alles. „Ein Gerichtsdolmetscher muss sich in allen Bereichen auskennen. Egal ob es um Strafrecht, Privatrecht oder Baurecht geht“, fügt Cisneros an. Denn vor Gericht ist es Aufgabe des Dolmetschers den Sachverhalt exakt zu übersetzen, ganz gleich ob es sich um bautechnische, medizinische oder wirtschaftliche Sachverhalte handelt.

So ist in den Gerichtsverhandlungen Genauigkeit gefragt. Für die Dolmetscher bedeutet dies eine große Verantwortung. Jedes Wort wird auf die Waagschale gelegt. Mit dem Druck kann Enrique Cisneros aber umgehen: „Das ist alles Erfahrungssache. Mit der notwendigen Erfahrung weiß man, wie man was richtig übersetzt.“ Deshalb müssen alle Mitarbeiter des Centro de Traducciones neben einer entsprechenden Ausbildung zusätzlich eine langjährige Erfahrung als Gerichtsdolmetscher vorweisen.

Zwei Stunden Zeit

Seit Ende 1997 ist Enrique Cisneros als Gerichtsdolmetscher zwischen Valencia und Alicante tätig. So war es nicht verwunderlich, dass bei der Frage zur Gründung des Büros, die Wahl auf Denia fiel. „Der Standort Denia war eine strategische Wahl. Von Denia aus ist alles zu machen. Die Justizverwaltung sitzt in Valencia und die Amtsgerichte in Denia, Benidorm und Alicante sind nicht weit“, erläutert Cisneros. Lächelnd fügt er hinzu, dass „Denia auch ein schöner Ort ist. Denia ist eine grüne Stadt, die außer dem Meer auch noch Berge zu bieten hat.“

Als Chef seiner Übersetzungsfirma sind aber neben seinen außergewöhnlichen Sprachkenntnissen ebenso andere Eigenschaften gefragt. Dazu zählen Improvisationstalent und Einsatzbereitschaft. „Wir haben einen 24-Stunden Service für alle Sprachen. Und die zu übersetzenden Sachen sind dringend und können nicht warten“, beschreibt er seinen Arbeitsalltag. Oft sitzt er bis spät in die Nacht in seinem Büro und arbeitet an zu übersetzenden Dokumenten für Amtsgerichte, Anwälte, Privatleute, Eigentümerverwaltungen oder Immobilienbüros.

Improvisationskünste sind bei der Entsendung eines passenden Dolmetschers an die Amtsgerichte gefragt. Knappe zwei Stunden stehen Enrique Cisneros dafür zur Verfügung. Nicht alltägliche Sprachen wie Arabisch oder z.B. bulgarisch erschweren diese Aufgabe.

Obgleich der zu beachtenden Schwierigkeiten ist die Dolmetscherbereitstellung für Cisneros meistens kein Problem, da fast alle seine Mitarbeiter im Umkreis von Denia oder Benidorm wohnhaft sind. Somit können sie innerhalb einer halben Stunde vor Ort sein. Deshalb hat der Dolmetscher- und Übersetzungsdienst von Enrique Cisneros in großem Maße dazu beigetragen, die Wartezeit an den Amtsgerichten erheblich zu verkürzen.

Ein echter TUNA

Auf den ersten Blick erscheint einem Enrique Cisneros als sprachbegabter und erfolgreicher Gerichtsdolmetscher. Bei näherer Betrachtung entdeckt man aber eine weitere Leidenschaft: die Musik. Seit er von seiner Mutter zum dreizehnten Geburtstag eine Gitarre geschenkt bekam, begleitet die Musik ihn auf seinem Lebensweg. „Meine Mutter war zuerst genervt und bereute ziemlich schnell ihren Entschluss mir eine Gitarre zu schenken“, verrät Enrique Cisneros. Doch das pausenlose Üben und die genommenen Gesangsstunden sollten sich auszahlen.

Während der Studienzeit in Spanien war Cisneros Mitglied bei den Tunas. Unter TUNA versteht man eine Studentengesangsgruppe, die Musik aus dem Mittelalter spielt. „Die Tunas sind in Spanien sehr bekannt“, erklärt der Sänger. „Es handelt sich um eine Art Minnegesang. Es sind sehr alte, aber immer fröhliche und romantische Lieder.“

Ausgleich für die Seele

Auch in der Studienzeit in Deutschland und bei seinen weiteren Reisen ist die Gitarre immer an seiner Seite. „Andere Leute Wandern, Tauchen oder fahren Mountainbike – ich mache Musik.“ Die Musik ist für den Künstler eine „Notwendigkeit für die Seele“. Sie stellt einen lebenswichtigen Ausgleich zur Arbeit dar. Der vielbeschäftigte Dolmetscher bekennt: „Wer nicht genug Freizeit für seine Hobbys hat, muss sich die Zeit nehmen. Und die Zeit nehme ich mir auch.“

Musikalische und sprachliche Begabung – zwei Eigenschaften die Enrique Cisneros in seiner Person vereint. Nichts außergewöhnliches findet der Künstler: „Leute mit einer Begabung für Sprache sind oft auch gute Musiker. Und umgekehrt. Denn ein sauberes und feines Gehör, das man in der Musik braucht, ist ebenso bei dem Erlernen einer Sprache wichtig.“

Alles ändert sich

Bei seinen Auftritten lädt der Gesangskünstler Enrique Cisneros sein Publikum auf eine musikalische Reise durch die spanischsprachige Welt ein. Besonders den Ländern Mexiko und Spanien widmet sich der Künstler ausführlich. Länder aus Mittel- und Lateinamerika sind ebenfalls Stationen auf der faszinierenden Reise. „Natürlich singe ich am Liebsten auf Spanisch, was nicht heißt, dass ich nur spanisch singe“, bekennt Cisneros. Auf Wunsch des Publikums gibt der Künstler selbstverständlich auch nichtspanische Lieder aus anderen Regionen Europas zum Besten. Angesprochen auf deutsches Liedgut enthüllt der Musiker, dass er „insbesondere Lieder von Reinhard Mey sehr schön findet.“

Allerdings ist ihm wichtig, dass er seine Zuhörer nicht nur für die spanische Musik begeistert. Vielmehr möchte er dem Publikum näher bringen, welche Hintergründe und Botschaften sich hinter den dargebrachten Liedern verbergen. „Die Musik und die Kultur eines Landes sind intensiv miteinander verbunden. Durch Lieder kann man viel lernen“, sagt Cisneros. Dank seiner Anekdoten über sprachliche Wendungen und typische Traditionen der vorgestellten Länder lernen die Zuhörer die Vielfalt der unterschiedlichen Kulturen besser kennen.

Bei seinem letzten Auftritt im Euroclub Denia verzauberte der Gitarrenkünstler das Publikum. Die Magie der Musik kennt Cisneros: „Mit dem Gesang und der Musik lassen sich intensiv Gefühle und Empfindungen ausdrücken. Die Gitarre ist das Ventil für die Emotionen.“ Besonders berührte die Zuschauer das Stück „Todo cambia“ – Alles ändert sich. Das Lied spiegelt einen Teil seines Lebens wieder. „Ich war viel auf Reisen unterwegs und da merkt man das alles im Wandel ist. Nichts bleibt stehen. Wer nur an einem Ort verweilt, bemerkt das nicht. Wir ändern uns – und unsere Freunde und Verwandten verändern sich ebenso. Erst wenn man wieder zurückkommt, sieht man, dass auch sie sich verändert haben. Das ist der Lauf des Lebens.“

Seit vielen Jahren ist Enrique Cisneros jetzt in Denia sesshaft. Das bedeutet aber nicht, dass er seine Reiselust verloren hat. „Reisen sind eine Bereicherung. In jedem Land lernt man neue Menschen, neue Landschaften und eine neue Kultur kennen.“ Bei seinen langjährigen Aufenthalten fern der Heimat nahm sich der Weltbürger einen schönen Spruch zu Herzen: „Wo man singt da lass dich nieder – böse Menschen kennen keine Lieder.“

Ans andere Ende der Welt

„Wer Ausdauer hat und zuverlässig ist, der kann alle Ziele im Leben erreichen.“ Angetrieben von dieser Aussage ist die Erfüllung seiner Zukunftspläne nur eine Frage der Zeit. Als berufliches Ziel wünscht sich der erfolgreiche Unternehmer mit seiner Firma weiter zu wachsen und in naher Zukunft zu expandieren.

Überraschender erscheint ein persönliches Ziel, das der Musiker verfolgt: „Auf allen meinen Reisen war ich noch nie jenseits des Äquators. Daher wird einer meiner nächsten Wege mich auf den Südteil der Erdkugel führen , Richtung Argentinien oder Südafrika.“ Vielleicht sehen wir ihn in einigen Jahren als Tierarzt in Argentinien. Denn das war sein Berufswunsch als kleines Kind. Die Sprache wäre zumindest kein Problem.

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