Ein bahnbrechendes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) räumt deutschen Rentnern, die ihren offiziellen Wohnsitz in Spanien haben, mehr Rechte gegenüber ihrer deutschen Krankenversicherung ein. Das Kasseler Gericht urteilte im Juli 2008, dass eine seit 10 Jahren auf Lanzarote lebende und in Deutschland pflichtversicherte Rentnerin durchaus Anspruch auf ihre deutsche Krankenversichertenkarte hat.
Damit ist sie weiterhin berechtigt, bei einem Besuch in Deutschland Sachleistungen aus der gesetzlichen Krankenkasse in Empfang zu nehmen. Der Richterspruch beendete den 4jähringen Klageweg der Rentnerin gegen die DAK.
Die Urteilssetzung steht im krassen Gegensatz zur bisherigen Richtlinie. Nach dieser hatten Rentner, die in Spanien oder einem anderen EU-Land leben, keinen Anspruch mehr auf ihre deutsche Krankenversichertenkarte. Verweilten sie dennoch im Heimatland, konnten sie lediglich in Notfällen die Kosten für ärztliche Dienstleistungen über den Auslandskrankenschein E-111 abrechnen lassen.
Denn mit der Beantragung der spanischen Aufenthaltskarte, der „Tarjeta de Residencia“, fällt die Gesundheitsbetreuung automatisch in den Zuständigkeitsbereich der spanischen Sozialversicherung. Und diese kommt – von Notfällen abgesehen – nicht für Behandlungen im Ausland auf.
Nach wie vor sind deutsche Rentner, die mehr als 183 Tage im Jahr in Spanien verbringen, dazu verpflichtet, die Residencia zu beantragen und sich in dem für ihre Gemeinde zuständigen Einwohnermeldeamt einzuschreiben.
(Die Residencia wurde durch das Ausländerzertifikat zwischenzeitlich ersetzt)
Daraus hatten sich bisher Nachteile hinsichtlich der Krankenversicherung ergeben. Während in Spanien ansässige Rentner weiterhin vergleichsweise hohe Beiträge an einen deutschen Träger zahlten, hatten sie nur Zugang zu dem relativ kleinen Leistungspaket der spanischen Sozialversicherung.
Die deutschen Kassen hatten die bisherige Leistungsverweigerung mit dem Verweis auf eine Pauschale begründet, die sie an den spanischen Staat zahlen, damit dieser die Gesundheitsversorgung nach eigenen Maßstäben übernehme.
Anders als in Deutschland gibt es in Spanien nicht mehrere öffentliche Kassen. Stattdessen untersteht das gesamte Gesundheitssystem der „Seguridad Social“, der Sozialversicherung des Arbeits- und Sozialministeriums.
Diese umfasst neben der Krankenversicherung gleichzeitig auch die Rentenkasse, Sozialamt und Arbeitslosenversicherung. Um Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem zu erhalten, müssen in Spanien residierende Rentner sich mit dem Krankenschein E-121 ihres Trägers aus dem Heimatland beim „Instituto Nacional de la Seguridad Social“ (INSS) anmelden.
Angehörige der „Seguridad Social“ bekommen vom öffentlichen Gesundheitszentrum einen Hausarzt zugeteilt, den „Medicó de Cabecera“, welcher erste Anlaufstelle bei jeglichen gesundheitlichen Beschwerden ist. Neben dem Verzicht auf freie Arztwahl bedeutet der Beitritt zur spanischen Krankenversicherung oftmals auch lange Warteschlangen und deutlich weniger Sachleistungen. So kommt die Seguridad Social beispielsweise nicht für Zahnbehandlungen auf und gewährt auch keine Zuschüsse für Hörgeräte oder Brillen.
Allerdings kann die Zugehörigkeit zur spanischen Sozialversicherung in einer Hinsicht durchaus auch von Vorteil sein. Während in Spanien zwar sehr lange Wartelisten für Operationen bestehen, sind die Wartelisten für Organtransplantationen dafür die kürzesten weltweit. Die Provinz Alicante ist wiederum führend im nationalen Durchschnitt.
Mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (Aktenzeichen B 1 KR 2/04 R), welchem sich ein weiteres gegen die AOK anschloss, wurde nun nach Meinung von Experten der Weg für jeden in einem EU-Land lebenden Rentner geebnet, Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse bei einem Besuch im Heimatland weiterhin in Anspruch zu nehmen. Diese ermöglichen Rentnern neben der gewöhnlichen Heilbehandlung in Deutschland, sich Zahnersatz, Brillen, Hörgerät oder orthopädische Hilfsmittel bezuschussen zu lassen. Die gesetzliche Richtlinie gilt jedoch nicht für arbeitende Residenten, da diese ausschließlich bei der Seguridad Social versichert sind.
Kathleen Neumann 05/011
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