Wer haftet bei Baumängeln?
Ob verborgene oder augenscheinliche Mängel – betroffene Hausbesitzer geben sich in Anwaltskanzleien die Klinke in die Hand. Welche Garantien gibt es in Spanien? Wie sieht es mit der Haftung aus?
Eine gute Empfehlung für alle Bauherren lautet: grundsätzlich bei der Bauabnahme nicht im Alleingang operieren, sondern immer einen Sachverständigen hinzuziehen.
Warum? Erstens, nicht jeder Bauherr stammt selber aus der Konstruktionsbranche und kennt sich aus, und zweitens ist nach einer Bauabnahme die Aussicht auf eventuelle Garantieleistung zumindest für einen Teil von Mängeln sehr eingeschränkt. Denn nach der Abnahme kann der Käufer ( von Mängeln sehr eingeschränkt den Verkäufer (Promotor oder Bauunternehmer) für Offenbares oder Augenscheinliches – sowohl Konstruktionsmängel wie Bauausführungsfehler – nicht mehr haftbar machen.
Gewährleistungsansprüche für Baumängelhaftung bei versteckten Schwachstellen verjähren übrigens sechs Monate nach der Übergabe des Verkaufsobjektes. Damit ist nicht das Datum der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages, sondern die tatsächliche Übergabe des Hauses gemeint.
Anders sieht die Lage bei einem Verfall des Bauwerks aufgrund von Konstruktionsfehlern aus: Dann können ab dem Tag der Bauabnahme 10 Jahre lang Ansprüche gegen den Bauunternehmer geltend gemacht werden. Werden ausdrückliche Vertragsbedingungen verletzt, beträgt die Garantiezeit sogar 15 Jahre. Auf Apparaturen im Haus wird übrigens immer nur jene Garantie eingeräumt, die der Lieferant bzw. Hersteller gewährt.
Wer haftet?
Sowohl bei Verfall oder Zerstörung eines Bauwerks infolge von Konstruktionsfehlern oder aufgrund die Bauausführung beeinträchtigenden Mängeln haften grundsätzlich immer die folgenden Personen: Für Schäden am Bauwerk ist es der Promotor und Konstrukteur, für Schäden, die den Boden oder die Bauleitung betreffen bzw. Planungsfehler sind, zeichnet der Architekt verantwortlich.
Verborgene Mängel
Die Gewährleistungspflicht des Verkäufers ist nach dem Código Civil (CC), dem Spanischen Zivilgesetz, definiert. Sie gilt sowohl für Neubauten als auch beim Erwerb eines älteren Hauses. Artikel 1484 des CC sagt: Der Verkäufer ist wegen der verborgenen Mängel, die die Sache hat, zur Gewährleistung verpflichtet, wenn die Mängel die Sache als ungeeignet für den Gebrauch machen, zu dem man sie bestimmt, oder wenn sie diesen Gebrauch, in solcher Weise einschränken, dass er au er, wenn er sie gekannt hätte, die Sache nicht erworben oder einen geringeren Preis für die gezahlt hätte. Er haftet aber nicht für offenkundige oder für solche Mängel, die zu sehen sind, und ebenso wenig für solche, die es nicht sind, sofern der Käufer ein Sachkundiger ist, der die Mängel aufgrund seines Amtes oder Berufes leicht hätte erkennen müssen.
Das bedeutet: Die Gewährleistungspflicht besteht dann, wenn der Käufer bei Kenntnis der Mängel das Haus nicht gekauft oder weniger dafür bezahlt hätte, weil die Fehler das Kaufobjekt für seine ursprüngliche Nutzung untauglich machen oder beeinträchtigen. Für offenbare oder augenscheinliche Mängel hat der Käufer nach Bauabnahme (der Akzeptanz) keinen Leistungsanspruch mehr. Allerdings haftet der Verkäufer immer für versteckte Mängel. Ausnahme: Ist der Käufer sozusagen vom Fach, kennt sich in der Baubranche aus und hätte diese erkennen können, dann haftet der Verkäufer nämlich nicht.
Außerhalb der Zehnjahresgarantiefrist auf Konstruktionsschäden und Bausubstanz hat der geschädigte Käufer bei kleineren Beeinträchtigungen jedoch immer noch die Möglichkeit, sozusagen auf Nichterfüllung des Vertrages zu klagen bzw. Anwälte einzuschalten, die in der Praxis meist einen außergerichtlichen Kompromiss suchen werden.
Bis zu einem Prozess kann es lange dauern, und der Verkäufer ist längst vom Erdboden verschwunden bzw. hat seine Firma dichtgemacht. Unter kleineren Beeinträchtigungen versteht man bauliche Unvollkommenheiten, Fehlerhaftigkeiten und Beschädigungen oder Fertigstellungsfehler.
Es kann sich dabei beispielsweise um eine neue Ausführung von Dekorationsarbeiten handeln oder um irgendwelche Qualitäts- sowie auch andere Merkmale, die sich beim fertiggestellten Haus von den eigentlich zu Baubeginn vereinbarten unterscheiden.
Zehn Jahre Garantie
Jeder, der am Bau eines Hauses beteiligt ist, trägt für schlechte Ausführung, fehlerhafte Projektierung oder Bauleitung sein Paket an Verantwortung. Je nach Auftrag sind dies der Promotor und Bauunternehmer, der Architekt und der Bauführer.
Im Artikel 1591 des Spanischen Zivilgesetzbuches steht: "Der Unternehmer eines Bauwerks, das durch Fehler in der Bauweise zerfällt, haftet für die Schäden und Nachteile, wenn der Zerfall innerhalb von zehn Jahren, gerechnet vom Abschluss des Baus, stattfindet.
Die gleiche Haftung für dieselbe Zeit hat der Architekt, der den Bau beaufsichtigt; allerdings nur dann, wenn die Zerstörung oder der Verfall des Hauses auf Fehler im Boden oder in der Beaufsichtigung des Baus zurückzuführen ist." Weiter heißt es : Wenn die Ursache darin liegt, dass der Bauunternehmer die Vertragsbedingungen nicht eingehalten hat, besteht der Ersatzanspruch fünfzehn Jahre lang.
Gilt diese Garantie nur für den Neubau? Nein. Da der Artikel im Zivilgesetzbuch nicht notwendigerweise ausschließlich von Neubau spricht bzw. zwischen Ausbesserungen, Restaurierung oder Ausbauten keine Unterscheidung macht, ist Artikel 1591 auch auf diese anwendbar, erklärt Anwältin Susana Barco – Schultz.
Die Zehnjahresgarantie besteht nicht nur bei Neubaukonstruktion, sondern auch bei Renovierung, Wiederaufbau oder der Erweiterung eines Hauses durch zum Beispiel das Aufstocken von neuen Etagen.
Allerdings: Alltägliche oder übliche Unvollkommenheiten – da nicht als hauszerstörend bzw. -ruinierend zu bezeichnen – umfasst die Zehnjahresgarantieleistung nicht.
Hierzu ein Beispiel: Fehlen Einbauschränke im Haus, so ist dies natürlich kein Mangel, der zur Baufälligkeit eines Gebäudes führen wird. Aber: Dann kann man das Ganze als teilweise Nichterfüllung des Vertrags bewerten. Der Promotor ist für die Ausführung der dem zukünftigen Käufer offerierten Verpflichtung zuständig, so die Anwältin.
Was ist eine Ruine?
Die Hauptfrage, die sich jedoch bei der Interpretation des Artikels 1591 ergibt, lautet: Was versteht man unter Ruina? Den Zusammensturz oder die totale Zerstörung eines Gebäudes? Eine Ruine? Der spanische Begriff Ruina ist als schwerwiegender Konstruktionsfehler zu verstehen. Und zwar derart gravierend, dass dadurch die Existenz, die Festigkeit und die Stabilität des Gebäudes in Gefahr gebracht werden können.
Diese Ruina física, sozusagen ein einsturzgefährdetes Gebäude aufgrund der physikalischen Voraussetzungen, bringt natürlich auch automatisch die Unbrauchbarkeit oder Unbewohnbarkeit des ganzen Gebäudes oder zumindest eines Teils mit sich. Das heißt, es entspricht nicht der ursprünglichen Bestimmung oder dem Verwendungsziel und wird somit als Ruina fúncional, ein "krankes, von Verfall bedrohtes und in der Funktion nicht brauchbares Bauwerk" bewertet.
Nachstehend ein paar Beispiele aus der Praxis von ein Gebäude ruinierenden Konstruktionsmängeln, die bereits durch die spanische Rechtsprechung anerkannt wurden.
So musste ein Bauunternehmer ein Hausdach abreißen lassen, da die Reparaturarbeiten nicht vernünftig ausgeführt worden waren.
In einem Hotel löste sich aufgrund von Konstruktionsfehlern eine Terrassenüberdachung. Die Ursache lag in der fehlerhaften Isolierung und Imprägnierung der Terrassen, dem schlechten Anbringen des Kiesbettes und der falschen Zusammensetzung der Schutzschicht. Resultat: Alles musste erneut angehoben werden, um eine neue Imprägnierung der Terrasse zu erreichen.
Weitere Beispiele: Risse, Absacken und andere Baumängel zeugen von einer schlechter Bauausführung. Feuchtigkeit in Häusern und Wohnungen kann zu einer rapiden Wertminderung der Gebäude führen.
Eine Verlegung von schadhaften Rohrleitungen beeinträchtigt die Substanz eines Hauses. Dazu können auch Fehler hinsichtlich de Neigungswinkels der Rohre gehören. Feuchtigkeit in oberen Etagen und Wohnungen kann ein Gebäude ruinieren, ebenso eine miese Betonqualität.
Bauunternehmer oder Promotoren mussten bereits zahlen bzw. Leistungen erbringen, weil sich die Platten auf den Terrassen abhoben. Oder gar das Fundament eines Hause nicht in Ordnung war. Ebenso gibt es einen Leistungsanspruch bei Überschwemmungen im Haus, beispielsweise wenn das Wasser durch mangelhafte Fundamentierung oder Isolation in das Kellergeschoss eingedrungen ist, denn dies kann wieder zu Rissen und Feuchtigkeit im Mauerwerk führen.
Weiter haben Gerichte bereits existierende Schäden, die aufgrund schlechter Qualität der verwendeten Materialien aufgetreten sind, anerkannt. Lösen sich oder platzen Platten und Vertäfelungen an Hausfassaden ab, gibt es übermäßigen Lärm und Schwingungen aufgrund unsachgemäßer Ausführung oder Nichtvorhandenseins von Lärm- und Schallisolierung, kann der Käufer ebenfalls Ansprüche geltend machen. Die gleichen Garantieansprüche hat er auch bei der Schwimmbadkonstruktion.
Weiterverkauf
Werden Wohnungen, Häuser und Geschäfte nach dem Bau weiterverkauft, so existiert die zehnjährige, Garantiezeit weiter.
Die neuen Erwerber, die zwar nicht im Bauvertrag auftauchen konnten, da sie erst zu einem späteren Zeitpunkt vom Bauherrn kauften, sind ebenfalls innerhalb der noch verbleibenden Restgarantiezeit von zehn Jahren gegenüber den Fachleuten aus der Konstruktionsbranche anspruchsberechtigt.
Ein zügiger Prozess und somit ein schnelles Urteil ist bei Spaniens überlasteten Gerichten ein Unding. Das ist mit der Grund, warum bei zivilrechtlichen Streitigkeiten oft Anwälte dazu raten, außergerichtlich zu verhandeln. Wenn Mängel am Bau bestehen oder darüber verhandelt wird, wer in welchem Umfang sie beseitigt, hat sich die Suche nach Kompromisslösungen noch immer für alle Beteiligten am günstigsten erwiesen.
Wer die Kosten scheut und Anwälten grundsätzlich misstraut, sich selber aber in den spanischen Gesetzen gut auskennt, die Landessprache spricht und genügend Verhandlungsgeschick mitbringt, der kann es forsch natürlich auch auf eigene Faust versuchen, mit seinem Bauunternehmer, Promotor oder Architekt eine Einigung zu erzielen.
Autorin: Susana Barco-Schulz, Rechtsanwältin
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