Spanien durchläuft radikalen Wertewandel
Auffällig sind bei diesem Wandel verschiedene Punkte. Zum einen hat der Einfluss der Religion mit zunehmendem Wohlstand immer mehr abgenommen, so dass sich heute nur noch 42 Prozent an der Kirche orientieren. Das ist angesichts eines ehemals höchst katholischen Landes, in dem die Kirche fast alle Gebiete des Lebens beeinflusste, sehr erstaunlich.
Außerdem haben sich die Lebensziele stark gewandelt. Für die ältere Bevölkerung zählten nach Erfahrung des Krieges und des Hungers vor allem finanzielle Sicherheit und Ordnung; die mit Demokratie und Massenkonsum großgewordene Generation legt dagegen den größten Wert auf Meinungsfreiheit und Selbstverwirklichung.
Darüber hinaus ist die Emanzipierung der Frauen in Spaniens Gesellschaft zwischen der Zeit der Franco-Diktatur und heute blitzartig vorangeschritten. Früher durften Frauen nicht einmal eigenständig ein Bankkonto eröffnen, nun sprechen sich 65 Prozent gegen die Bevorzugung männlicher Arbeiter aus.
Auffällig ist zudem die gewachsene Toleranz und Offenheit Spaniens bezüglich Immigration: Nur 24 Prozent sind für Einwanderungsbeschränkungen, fast dreimal weniger als in der Bundesrepublik (63 Prozent).
Dieser Wandel lässt sich zum einen sicher mit dem Ende der Franco-Diktatur und einem gewissen Nachholbedarf der Bevölkerung in allen Bereichen des Lebens erklären. Es galt zu den anderen EU-Ländern aufzuholen und den binnenorientierten Markt an den offenen Weltmarkt anzugleichen.
Einzigartig bleibt jedoch die Schnelligkeit, mit der sich dieser Wandel in der Gesellschaft vollzogen hat. Und es ist anzunehmen, dass sich auch in Zukunft in Bereichen wie Emanzipation und Chancengleichheit weitere Änderungen durchsetzen werden.
Julia Borck
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