Jürgen Schmidt: Ein schreibender Kapitän

Ruhig und zurückgezogen lebt Jürgen Schmidt auf einer Motoryacht, die vorübergehend im Hafen von Dénia vor Anker liegt. Nach langer Zeit auf See hat der Kapitän vor drei Jahren an der Costa Blanca angelegt. Seinen Lebensabend wird der im Ammerland bei Oldenburg geborene 62-Jährige hier jedoch nicht verbringen. Der Ruf der großen, weiten Welt erreicht ihn noch immer. Das nächste Ziel, das er mit dem Boot „My Aphrodite“ ansteuern wird, steht bereits fest: Schon bald geht es Richtung Kroatien. Zum Schreiben ist der Autor des Buchs „Die Tochter des Kongolotsen“ eher zufällig gekommen.
Es war an einem lauschigen Sommerabend. In geselliger Runde fand man sich zusammen und genoss die wohlverdiente Freizeit. Dabei wurde nicht nur geklönt, was das Zeug hielt. Nein, auch der ein oder andere Tropfen Alkohol floss die durstigen Kehlen herab. So gestärkt erzählte Jürgen Schmidt zu vorgerückter Stunde einem Freund von seinen lange zurückliegenden Erlebnissen im fernen Kongo. Ausführlich berichtete das Nordlicht von den Erfahrungen, die er als Jugendlicher in dem afrikanischen Land gemacht hatte. Sein Begleiter hing an ihm an den Lippen und wartete ungeduldig auf jedes Wort, dass den Mund von Jürgen Schmidt verlassen würde. Er war so begeistert von der rührenden und spannenden Liebesgeschichte zwischen der Kongolesin Ruby und dem Schiffsjungen Mozo (so der Spitzname Schmidts), die trotz widrigsten Umständen um ihre Liebe kämpften, dass für ihn feststand: „Jürgen, du musst ein Buch darüber schreiben!“
Der nahm sich den Rat zu Herzen und wollte versuchen, seine Kongo-Story zu Papier zu bringen. Das war aus verschiedenen Gründen gar nicht so einfach. Zwar erinnerte sich der Neu-Schriftsteller noch an viele Details, obwohl die Geschehnisse schon viele Jahre zurückliegen. Doch geschrieben hatte er bisher noch nichts und mit Computern hatte er auch noch nie gearbeitet. Nachdem man sein Buch gelesen hat, weiß man aber, dass er sich von solchen Problemchen nicht abschrecken lässt. Also hieß die Devise: Computerkurs besuchen und in die Tasten hauen.
Herausgekommen ist dabei ein faszinierender Roman, der den Leser auf eine Reise nicht nur in ein fremdes Land, sondern auch in die Jugend Jürgen Schmidts mitnimmt. Als 16jähriger Schiffsjunge fuhr er auf einem Frachter Richtung Kongo. Dort herrschten zu dieser Zeit schwierigste politische Bedingungen. Rebellenkriege und Unruhen waren an der Tagesordnung. Aber das interessierte den damals Jugendlichen nicht wirklich. Er hatte nur Augen und Ohren für seine Ruby. Sie war die Tochter des Lotsen, der das Frachtschiff in den Hafen geleiten sollte. In nordisch trockenem Stil und doch einfühlsam beschreib Schmidt, wie er seiner Liebsten zum ersten Mal begegnet ist, mit welchen Tricks die beiden arbeiteten, um sich wieder sehen zu können, und wie er in ihrer Familie aufgenommen wurde. Welche Rolle Ananas, seine Großmutter und sogar bemalte Schweinehoden dabei spielen, wird an dieser Stelle nicht verraten.
Jürgen Schmidt ist zurzeit auf der Suche nach einem Verlag, der „Die Tochter des Kongolotsen“ publiziert. Das sollte nicht zu schwer sein, denn mit der Lektüre begibt man sich auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Oftmals weiß man nicht, ob man lauthals lachen oder vor Rührung ein Tränchen verdrücken soll, ob man sich über die starke Liebe der beiden Protagonisten freuen oder sich über die politischen Umstände in Kongo empören soll. Lesenswert ist der Roman allemal. Auch wenn der Autor sich auf seine bescheidene Art wundert: „Ich wusste gar nicht, dass mein Leben so interessant sein soll.“
Simone Feckler