Gotische Kathedralen in Kastilien und Léon

Kastilien und Léon

Vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden in Kastilien und Léon eine Reihe von Kathedralen, die zum grössten Teil die Entwicklung und die Merkmale der spanischen Gotik aufzeigen. Während die Kathedralen von Burgos und Léon eher den grossen Moment der französischen Gotik in Spanien darstellen, gelten die von Segovia, Salamanca und Astorga als die besten Beispiele der spanischen Spätgotik.
Während die ersteren in die Stilgewohnheiten der Romanik einbrachen und die Prinzipien der neuen Stilrichtung definieren, fallen die letzteren zeitlich bereits mit den gewaltigen Bauten der Renaissance zusammen.
Während der Expansion gründeten französische Steinhauer gotische Schulen. Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts wurden die Bauwerke hauptsächlich von einheimischen Meistern ausgeführt, bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts zahlreiche flämische, deutsche und burgundische Meister nach Spanien kamen. Obgleich ihr künstlerischer Einfluss mehr in der Malerei und Bildhauerei zu spüren ist, beteiligten sie sich auch an einigen architektonischen Projekten. Die Entstehungszeit des gotischen Flamboyantstils spiegelt sich traditionsgemäss Hanequin de Bruselas geschaffenen Portal Portada de los Leones der Kathedrale von Toledo. Johannes von Köln, der an der Kathedrale von Burgos arbeitete, und Anton Egas, der die neue Kathedrale von Salamanca ausführte, waren nur einige Meister, die die europäische Spätgotik in Spanien einführten.
Mit dem 16. Jahrhundert betraten bekannte Architekten der spanischen Spätgotik die Szene. Sie waren die Vertreter einer spätgotischen Stilrichtung, der sich die kirchliche Obrigkeit der Epoche gern verschrieb.

Die Kathedralen von Norden nach Süden

Die geographische Lage der kastilisch-leonesischen Kathedralen verhilft dem Reisenden zu einer Rundfahrt von Norden nach Süden, die bei den ältesten Bauwerken beginnt und bei den jüngsten endet. Die Kathedralen von Burgos und León sind die ersten Haltepunkte auf dieser Fahrt.

Die Kathedrale von Burgos

Obwohl die Kathedrale von Burgos auf einem Bauprojekt aus dem 13. Jahrhundert beruht, schliesst sie bedeutende Zusätze aus den darauffolgenden Jahrhunderten ein. Der im Die Kapellen und die Fundamente der Türme wurden im 14. Jahrhundert ausgeführt, während die Laterne des Querschiffs und der obere Abschluss der Kapelle des Kronfeldherrn aus dem 16. Jahrhundert stammen.
Infolge einer ununterbrochenen Ausschmückung verwandelte sich diese herrliche Kirche zu Beginn des 16. Jahrhunderts in eins der bedeutsamsten Bauwerke der Iberischen Halbinsel. Für die Künstler, die den Auftrag erhielten, eine neue Kapelle zu errichten, war die bauliche Ausschmückung eine Pflicht. Als die Kapelle des Kronfeldherrn von Simon von Köln angelegt wurde, wurde ihr entsprechend dem Zeitgeschmack eine prachtvolle Laterne aufgesetzt. Aber es wurde der Vorwurf ausgesprochen, sie sähe von aussen nur wie ein zusätzlicher Turm aus. Die Werke von Gil de Siloe‘, von Virgarny und anderen Bildhauern machten die Kathedrale von Burgos zu einem reichen Museum, das die auf die spanische Kunst durch die mitteleuropäischen Strömungen ausgeübten Einflüsse deutlich erkennen lässt.

Die Kathedrale von León

Die Kathedrale von León ist aus mehreren Gründen als Einzelfall anzusehen. Abgesehen davon, dass sie in Kastilien als Musterbeispiel der französischen Gotik gilt und dem Grundschema dieses Baustils am nähsten kommt, entspricht die Kathedrale, so wie sie dem Reisenden heute erscheint, dem Anfangsprojekt. Die Erklärung ist einfach: gerade wegen ihrer Leichtigkeit und der Schlankheit konnten später kaum Teile angebaut werden, ohne Gefahr zu laufen, die Kathedrale könnte einstürzen. Bei den Restaurationsarbeiten verschwanden allmählich die neuen Elemente, die an dieser Kathedrale ohnehin als Fremdkörper erschienen wären. Es entspricht aber durchaus nicht der ursprünglichen Idee, dass sie nun auf freiem Gelände steht. Bis zum vorigen Jahrhundert war sie in die Häuseransammlung eingeschachtelt und von bescheidenen mittelalterlichen Bauten umgeben, was ihr ihren spanischen Charakter verlieh. In dieser Gegend ist es nämlich ungewöhnlich, dass die Kirchen auf freiem Gelände stehen.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts schritten unter der Herrschaft Alfons X die Arbeiten am Chorhaupt und am unteren Teil der Seitenmauern rasch voran. Die Bauarbeiten zogen sich mit mehreren Unterbrechungen bis ins 16. Jahrhundert hin. Aus des ersten Epoche stammt die Figur der Virgen Blanca , der Weißen Madonna, die an den Mittelpfeiler des Hauptportals lehnte. Heute ist sie durch eine modernere Replik ersetzt. Die Gewölbe des Kreuzgangs stammen aus der letzten Bauphase und wurden von französischen Meistern geschaffen, deren Arbeiten in Stein eher wie Goldschmiedearbeiten wirken. Die Skulpturensammlung im Kreuzgang und die Glasfenster verdienen besondere Aufmerksamkeit. Diese mussten mehrfach repariert und ersetzt werden und stellen daher eine besonders wertvolle glastechnische Mustersammlung vom 13. Jahrhundert bis heute dar.

Kirchenfestungen von Burgo de Osma

Von Burgos aus lohnt sich ein Abstecher nach Burgo de Osma nahe Soria. Hier findet der Reisende eine der Kirchenfestungen, die im mittelalterlichen Spanien zahlreich waren. An den wuchtigen Außenfassaden fällt das Hauptportal an der Südseite des Querschiffs auf. Auch wenn diese Kirche zur gleichen Zeit entstand wie die Kathedrale von Burgos, wurde sie im romanischen Stil errichtet. Lediglich zwei Rippengewölbe bezeugen den Stilübergang. Auch der Kreuzgang der im 16. Jahrhundert im spätgotischeren Stil entstand, ist einen Besuch wert.

Die Kathedrale von Palencia

Der Einfluss der beiden grossen Modelle der Epoche macht sich am Chorhaupt der Kathedrale zu Palencia bemerkbar. Ihre bedeutendsten Bauteile entstandenim 15. und 16. Jahrhundert, denn 1425 beschloss der Domrat, sie zu erweitern und auszuschmücken, was in den Sterngewölben seinen Niederschlag fand.
Der Kreuzgang sowie der Kapitelsaal wurden zu Beginn des 16. Jahrhunderts angelegt. An dieser Stelle sei auch auf das aus dem 15. Jahrhundert stammende Chorgestühl aufmerksam gemacht.


Kathedrale von Astorga

Die von León nur 50 km entfernte Kathedrale von Astorga ist ein wertvolles Beispiel der Spätgotik. Die Besichtigung dieser Kathedrale ist schon deshalb empfehlenswert, weil man an ihr die Abfolge der verschiedenen Stilvariationen der Gotik in Spanien von Anfang an beobachten kann. Dabei treten die dekorativen Elemente am Chorhaupt besonders hervor. Nach vollkommen verschiedenen Kriterien als in León vorherrschten, wurden hier zierliche, verworrene Formen angewendet, die den Wänden aufgelegt sind.

Auch die Verteilung der Glasfenster ist hier völlig verschieden. Weit entfernt von der Idee der lichtdurchlässigen Mauer wurden in Astorga die Glasfenster in die als Fenster gedachten öffnungen eingesetzt. Der Grundriss dieser Kirche zeigt eine grössere Unabhängigkeit gegenüber den herkömmlichen Modellen des Mittelalters: ein Querschiff fehlt hier, es gibt lediglich zwei Seitenkapellen, die der traditionellen Raumeinteilung in den gotischen Kirchen entsprechen. Die Kathedrale von Astorga, deren Chorhaupt 1471 begonnen wurde, lässt eine Reihe herrlicher Rippengewölbe erkennen.

Kathedrale von Zamora und die Neue Kathedrale von Salamanca

Nun geht die Reise in südlicher Richtung zu den Kathedralen, die westlich und südlich von dieser Region liegen. Die Kathedrale von Zamora hat neben hauptsächlich romanischen und klassizistischen Bauelementen ein in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandenes Chorhaupt. Die Neue Kathedrale von Salamanca wird dagegen grösstenteils der Spätgotik, also dem 16. Jahrhundert zugeschrieben. Mit dem Bau dieser Kathedrale, die unmittelbar neben der romanischen liegt, wurde 1513 unter der Leitung von Juan Gil de Hontaón begonnen. Antón Egas, Juan de Alava, Alonso de Covarrubias u.a. setzten das Werk nach seinem Tode fort. Aber Rodrigo Gil, der Sohn von Juan Gil de Hontao’n, beendete die Bauarbeiten an dieser Kathedrale unter der Einführung von Elementen der Renaissance.
Aufgrund ihrer Dimensionen und schlanken Proportionen wird die Neue Kathedrale von Salamanca mit den bedeutendsten Kathedralen Frankreichs des 13. Jahrhunderts verglichen. Die Vorlagen der Pfeifer und das Kreuzgewölbe über den Schiffen stammen zweifellos von einem besonders qualifizierten Architekten. Einer der Grundzüge, der Gemeinsamkeiten mit der Kathedrale von Sevilla erkennen lässt, ist das flache Chorhaupt. Diese architektonische Besonderheit ermöglicht die Aufstellung der grossen Altaraufsätze, die sich damals durchsetzten.

Kathedrale von Ciudad Rodrigo

Die Reise führt nun weiter nach Ciudad Rodrigo, das 90 km von Salamanca entfernt ist. Die hier gelegene Kathedrale knüpft an die Tradition der wuchtigen, aber weniger hohen Kirchen an. Mit dem Bau wurde im 12. Jahrhundert begonnen, aber die Arbeiten wurden bis ins 14. Jahrhundert fortgesetzt.

Aus der letzten Bauphase stammen auch die Gewölbe sowie das Querschiff. Das Sterngewölbe der Hauptkapelle und das Chorgestühl sind offensichtlich die bedeutsamsten Teile der gesamten Kathedrale. Bezüglich der Aussenarchitektur sei insbesondere auf den Pórtico del Perdón aus dem 13. Jahrhundert hingewiesen, der Einflüsse des Pórtico de la Gloria, der Kathedrale von Santiago de Compostela zeigt.

Die Kathedrale von Avila

Die Kathedrale von Avila wurde im 13. Jahrhundert begonnen, mehr oder weniger zur gleichen Zeit wie die Stadtmauer. Dabei wurde die Apsis der Kathedrale in die Verteidigungsmauer eingebaut, um den oft militärischen Charakter der Kirchen der Wiedereroberungsepoche zu unterstreichen.
Auch wenn man ein romanisches Bauwerk vor sich hat, stammen die Gewölbe der Kirchenschiffe und die Kapellen Los Beneficiados und San Bernabé sowie der Kreuzgang aus der gotischen Epoche.
Die Stadt Avila ist seit 1985 Weltkulturerbe der UNESCO.
Eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten ist die 2500 Meter lange erhaltene romanische Stadtmauer!
Unterkünfte finden Sie in einem der Paradores. Die Küche ist fleichlastig – aber ausgzeichnet.

Die Kathedrale von Segovia

Die Kathedrale von Segovia wurde 1525 unter der Leitung von Juan Gil de Hontaon in Angriff genommen und von seinem Sohn Rodrigo etwa vierzig Jahre später vollendet. Rodrigo de Hontaón übernahm den Auftrag zur Errichtung des Chorhauptes. Weil sie in einer so kurzen Zeit von zwei Architekten, die Meister und Schüler waren, erbaut wurde, gilt die Kathedrale von Segovia als eines der wenigen völlig einheitlichen Bauwerke ihrer Zeit. Lediglich die Kuppel, der Chor und andere weniger wichtige Elemente lassen Unterschiede erkennen. Wegen ihrer gewaltigen Dimensionen nimmt sie vor den Kathedrale von Leo’n, Burgos und Toledo den ersten Platz ein. Die relativ nächterne Dekoration wird vor allem am Entwurf der Sterngewölbe sichtbar. Der Besucher sei darauf hingewiesen, dass der heutige Kreuzgang aus der alten Kathedrale, die während der Aufstände unter der Herrschaft Karls V. zerstört wurde, aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt.

Informationen zum Thema gotische Kathedralen in Spanien

Architektur in Spanien: Vorgeschichte – Neuzeit

Kunst und Kultur in Spanien