Klimaerwärmung lässt Spanien um seine Urlauber fürchten

Madrid – Den Sommerurlaubern könnte es in Spanien auf Dauer zu heiß werden. In Barcelona wird in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein Klima herrschen wie jetzt im südspanischen Sevilla, in Sevilla wird es infolge der Klimaerwärmung so heiß sein wie in Kairo.
Nach einer Studie des Madrider Umweltministeriums werden die Höchsttemperaturen in Spanien im Zeitraum von 2040 bis 2070 um 3,2 bis 3,6 Grad höher sein als heute und nach 2070 sogar um bis zu 7,0 Grad. Dem jüngsten UN-Klimabericht zufolge steigen die Temperaturen in Südeuropa stärker als im weltweiten Durchschnitt.
Wenn im Hochsommer die Hitze an bis zu 50 Grad heranreicht, wird Spanien kaum mehr ein Ziel für Urlauber sein. Die wichtigste Säule der spanischen Wirtschaft bräche dann weg. Der Tourismus macht elf Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Spanien ist mit 58 Millionen ausländischen Touristen im Jahr nach Frankreich das zweitwichtigste Reiseland der Welt.
Derzeit verbringen pro Jahr über 100 Millionen sonnenhungrige Nord- und Mitteleuropäer ihre Ferien an den Stränden Spaniens, Italiens, Griechenlands und Portugals. Sie bilden weltweit den größten Touristenstrom. Wenn der Klimawandel weiter voranschreitet, so warnen Experten der EU-Kommission, wird dieser Urlauberstrom zum Erliegen kommen. Statt von Norden nach Süden werden die Touristen dann eher in die entgegengesetzte Richtung reisen und ihre Sommerferien lieber an der Nord- oder Ostsee verbringen.
Der mit Abstand größte Teil der Feriengäste in Spanien sind reine Badeurlauber, die ihre Ferien am Strand verbringen. Viele spanische Strände werden jedoch infolge des Anstiegs des Meeresspiegels erheblich kleiner werden oder ganz verschwinden. Nach Schätzungen von Experten der Universität von Kantabrien wird der Meeresspiegel an der nordspanischen Atlantikküste bis 2050 um etwa 35 Zentimeter steigen, am Mittelmeer um 20 und am Golf von Cádiz um 10 Zentimeter. Dies bedeutet, dass die Strände um durchschnittlich 15 Meter schmaler werden.
«Ich würde mir zum Beispiel kein Haus in der Strandgegend La Manga (Südostspanien) kaufen», meint der Ozeanograph Costas Raúl Medina. «Das wäre eine schlechte Investition, denn ich bezweifele, dass meine Kinder noch darin werden wohnen können.» Auf Mallorca geht eine Studie davon aus, dass bis zum Ende des Jahrhunderts fast alle Strände verschwinden.
Die Reisebranche reagiert jedoch eher gelassen. «Der Mensch ist anpassungsfähig», meint der Präsident des mallorquinischen Hotelierverbands, Pere Cañellas. «Dann wird Mallorca sich eben als Ziel für den Winterurlaub präsentieren.» Mateo Pou, Chef des Verbands der Reiseveranstalter (Aviba), sagt der Zeitung «Diario de Mallorca»: «Wir haben es hier mit sehr langen Zeiträumen zu tun. Die Prognosen werden nicht morgen eintreten und auch nicht in fünf Jahren.»
Die Zahl extrem heißer Tage werde in der Mittelmeerregion in diesem Jahrhundert um das Drei- bis Sechsfache steigen, berichtete ein internationales Forscherteam erst Mitte Juni in den «Geophysical Research Letters». Frankreich werde davon die größte Hitzesteigerung bekommen. «Derzeit seltene Ereignisse wie die Hitzewelle 2003 in Europa werden viel gewöhnlicher, wenn die Treibhausgaskonzentration steigt», sagt Mitautor Noah Diffenbaugh von der Purdue Universität (USA). Hitzewellen würden die Regel sein, und es werde zudem unerreichte neue Temperaturen geben. Die Temperatur der heißesten Tage werde stärker steigen als die der durchschnittlichen.
Spanien ist mit seinen heißen Sommern und langen Trockenperioden – wie das gesamte Ökosystem des Mittelmeers – besonders verwundbar. Bis 2060 wird nach Schätzungen des Umweltministeriums die Niederschlagsmenge in Spanien um 17 Prozent abnehmen. Schon jetzt ist das Wasser zuweilen knapp. In der Gegend von Almería in Südostspanien befindet sich das einzige natürliche Wüstengebiet Westeuropas

Juni 2007

Quelle: Hubert Kahl