Alexandro Amenabar, spaniscdher Regisseur, gewinnt Oscar

Alejandro Amenábar, einer der bedeutendsten Personen des spanischen Films, erhielt bei den 77. Academy Awards dieses Jahr die begehrte Trophäe für den besten nicht-englischsprachigen Film. Als Sohn eines Chilenen und einer Spanierin wurde Amenábar am 31.03.1972 in Santiago de Chile geboren. Nach dem Militärputsch floh seine Familie jedoch 1973 nach Spanien und Amenábar wuchs in Madrid auf. Sein Meisterwerk Mar adentro (Das Meer in mir) ist bereits sein vierter Film. Schon mit 23 Jahren drehte er den Spielfilm Tesis und 1997 den surrealistischen Krimi Open your eyes, der unter dem Remake-Titel Vanilla Sky auch Hollywood eroberte. Der Hauptdarsteller Tom Cruise war gleichzeitig der Produzent seines nächsten Filmspektakels The Others, der weltweit 200 Millionen Dollar einspielte. Doch mit Mar Adentro ist Amenábar nun der endgültige Durchbruch gelungen. Allein in Spanien sahen vier Millionen Zuschauer sein Werk – und das nur während der ersten vier Monate. Durch den Aufgriff des sehr kritischen Themas der Sterbehilfe entstanden heftige Diskussionen.

In seinem Film geht es um die reale Geschichte des galizischen Seemanns Ramón Sampedro, der sich bei einem Sprung von einer Klippe die Wirbelsäule bricht. Seither ist er gelähmt, nur seinen Kopf kann er noch bewegen. Der Wandel vom talentierten Schwimmer und Frauenheld zum ans Bett gefesselten Behinderten ist für Ramón nicht zu verkraften. Dennoch besticht er weiterhin durch seinen messerscharfen Verstand, sein tolerantes Wesen und seinen Charme. Selbst ans Bett gefesselt schafft er es, die Frauen zu betören. Auch wenn er sein Schicksal mit Bravour meistert, wünscht Ramón sich nichts sehnlicher als in Würde zu sterben. Jahrzehntelang kämpft er gegen alle erdenklichen Behörden, zieht von Gericht zu Gericht und steht letztendlich sogar vor dem Europäischen Bundesgerichtshof für Menschenrechte.
Ramón Sampedros Kampf um die Euthanasie zog die Aufmerksamkeit der gesamten spanischen Öffentlichkeit auf sich und rückte die Diskussion über Sterbehilfe in den Mittelpunkt der Medien. In seinen Gedichten Cartas desde el infierno (Briefe aus der Hölle) erklärt Sampedro Leben ist ein Recht, keine Pflicht. Nach 29 Jahren, vier Monaten und ein paar Tagen mache ich nicht mehr mit – am 12. Januar 1998 stirbt er, nachdem er mit einem Srohhalm Zyanid aus einem Wasserglas getrunken hatte. All dies ist durch einen Videofilm dokumentiert, den Ramón von seinem zwölf Minuten dauernden Todeskampf anfertigte, um all seine Freunde von jeglicher Schuld freizusprechen. Auf der Klippe, von der er damals stürzte, findet man noch heute eine Granittafel: Für Ramón Sampedro Cameán, Verteidiger des Lebens und eines würdevollen Todes, Seemann an Land, Poet, Nachbar und Freund.

Für diesen und all seine anderen Filme komponiert Multitalent Amenábar die Musik selbst. Mar adentro ist untermalt mit keltischen Klängen, die typisch für die spanische Region Galizien sind. Auch das gesamte Drehbuch stammt aus der Feder des Regisseurs. Für Das Meer in mir gewann er bereits den europäischen Filmpreis, den Silbernen Löwen, für die beste Regie und den besten Schauspieler, sowie 14 Goyas, die höchste Auszeichnung des spanischen Filmgeschäfts. Nun kann er endlich auch einen Oscar in seine Trophäensammlung aufnehmen. Nach dem Gewinn des Academy Awards, der dem Regisseur von Gwyneth Paltrow übergeben wurde, fiel Amenábar eine unglaubliche Last von den Schultern. Er hatte gefühlt, wie ganz Spanien große Hoffnung auf ihn setzte und vom Erfolg seines Werkes überzeugt war. Am Schlimmsten jedoch war für Amenábar der Gang über den roten Teppich. Zwischen all den glamourösen Schauspielern aus Hollywood fühlte er sich nicht wohl: Das ist wie bei einer Fischversteigerung, und du bist der Seehecht, den keiner will. Doch nach der Verleihung wurde klar, dass dieses Gefühl ein Trugschluss gewesen war. Selbst der spanische König Juan Carlos gratulierte dem Erfolgsregisseur am nächsten Morgen persönlich per Telefon und die spanische Kulturministerin erklärte, dass dieser Oscar das Ansehen des spanischen Films in der ganzen Welt steigern werde.

Allerdings ist sich Amenábar noch nicht sicher, wo er seinen Preis platzieren möchte. Leider sind seine Regale zu klein für das gute Stück. Größer als erwartet sei die goldene Statue, bemerkt der Regisseur. Nachdem er mit dem Oscar unter dem Arm durch sein ganzes Haus gewandert war, um eine geeignete Position für das Prachtstück zu finden, hat er sich nun entschieden: Der Oscar soll vor einem seiner Spiegel stehen. Vielleicht in der Eingangshalle oder im Badezimmer, so dass sich all seine Besucher zusammen mit der Auszeichnung im Spiegel bewundern können.

Amenábars Beweggründe, genau diesen Film zu drehen sind leicht nachvollziehbar. Er sei zuallererst in die Geschichte an sich verliebt gewesen und danach entwickelte sich seine Leidenschaft für das Buch. Letztendlich durch seine Recherche über Sampedros reales Leben und die Bekanntschaft mit seinen ehemaligen Freunden und Verwandten war er so fasziniert, dass er sich zu dieser diskussionsreichen Verfilmung entschloss. Trotz seiner Behinderung betört Sampedro noch alle Frauen: Ein Grund für Amenábar aus diesem kritischen Thema auch eine wunderschöne Liebesgeschichte zu basteln. Während der Dreharbeiten fragte er sich immer wieder, was er wohl in dieser Situation tun würde. Besonders für Javier Bardem, der eine herausragende schauspielerische Leistung für Amenábar erbrachte, war das Shooting eine komplett neue Herausforderung. Er musste über zehn Wochen fast unbeweglich im Bett liegen und durch Make-Up um etliche Jahre altern. Amenábar bekommt nun auch von der Traumfabrik Hollywood zahlreiche Angebote, jedoch bleibt er nüchtern und antwortet auf die Frage, welcher Film nun folgen würde: If there is a story, I will go wherever it is.

Rebecca Goerke

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