Täglich zehn Stunden Training…

ND-Gespräch mit dem dreifachen Segel-Olympiasieger Jochen Schümann

Deutschlands Topsegler Jochen Schümann schaute kurz vor dem Jahresende wieder einmal in seiner Heimatstadt Berlin vorbei, besuchte hier seine Eltern und Geschwister und traf sich mit alten Freunden und Segelkollegen im Yachtklub Berlin-Grünau. Mittendrin hatte der dreifache Olympiasieger, der nach der Wende mit seiner Familie ins bayerische Penzberg zog, noch Zeit zu einer Talkrunde mit Eurosport-Reporter Dirk Thiele. Danach hatte ND Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem 53-jährigen Jochen Schümann.
ND: Sie haben sechs Mal bei Olympischen Spielen die Segel gesetzt, sind mit drei Gold- und einer Silbermedaille zurückgekehrt. Reizt Sie ein Olympiastart 2008 in Peking?

Schümann: Olympia ist etwas für jüngere Segler. Meine neue Funktion als Sportdirektor des Team Germany beim America’s Cup nimmt mich voll in Anspruch. Da bleibt keine Zeit für ein Olympiatraining.
Ihre große Liebe ist also längst der America’s Cup. Mit dem Schweizer Schiff Alinghi haben Sie den zwei Mal gewonnen. Wie geht es jetzt weiter?
Nach dem letzten Finale im America’s Cup wechselte ich zum Team Germany. Um ehrlich zu sein: Es macht mir noch mehr Spaß, jetzt für meine Heimat im Segelsport tätig zu sein.
Es gibt Ärger wegen des nächsten Termins im America’s Cup. Was spielt sich da ab?
In diesem Cup bestehen leider keine festen Regeln. Wer gewinnt, gewinnt alle Rechte. Die USA haben gegen die Schweizer Alinghi protestiert. Der Streit liegt jetzt beim New Yorker Gericht. Ich hoffen, dass bald Klarheit herrscht. Wir brauchen Klarheit, weil man einem Sponsor keine Veranstaltung verkaufen kann, für die es keinen Termin gibt. Ursprünglich sollte der Cup 2008 gesegelt werden. Nun ist der nächste Termin für 2009 vorgesehen. Aus unserer Sicht muss der Wettbewerb dann auch wirklich steigen.
Wie bereiten Sie sich auf 2009 vor?
Unser deutsches Team ist im spanischen Valencia stationiert. Es umfasst 60 Mann. Die meisten Teammitglieder sind mit ihren Familien nach Valencia gezogen. Wir trainieren jeden Tag rund zehn Stunden.
Wer gehört zum Team?
Neben den eigentlichen Seglern noch die Segelmacher, Bootsbauer, Informatiker, Wissenschaftler und Hightec-Ingenieure. Unser Boot ist mit eben soviel Elektronik ausgerüstet wie etwa ein Formel-1-Rennwagen. Nur sind wir leiser.
Die Crew formiert sich aus ganz schön kräftigen Burschen. Gibt es da ein Limit für das Gesamtgewicht einer Segelcrew?
Eine Mannschaft umfasst 17 Segler, die dürfen zusammen nicht mehr als 1170 kg auf die Waage bringen. Es müssen natürlich kräftige Kerle sein, Typen wie der Kugelstoßer Sven-Oliver Buder. Wir haben es heute immerhin mit Segelflächen bis 1000 Quadratmetern zu tun. Allein der Spinnaker mit rund 450 Quadratmetern geht in 14 Sekunden auf die Masthöhe von 36 Meter.
Woraus bestehen die Segel?

Aus Carbon und Nylon. Die alte Romantik mit Segeln aus Baumwolle oder Leinen ist längst Geschichte. Übrigens: Der Kiel unseres Bootes ist nur 70 Zentimeter breit, liegt aber vier Meter Tief unter Wasser und ist mit 20 Tonnen Blei ausgefüllt.
Sie wohnten seit Jahre in Penzberg im bayerischen Oberland. Wird das auf Ewigkeit so bleiben?

Inzwischen bin ich nach Valencia gewechselt, um dort in Ruhe mit dem Team den America’s Cup vorzubereiten. In Penzberg wohnt jetzt nur noch meine Tochter Ulrike.
Wie sind Sie eigentlich zum Segeln gekommen?

In unserer Schule in Berlin-Köpenick, unweit vom Müggelsee, gab es eine Arbeitsgemeinschaft Bootsbau und Segeln. Dort habe ich mitgemacht und mich auch ganz gut angestellt. So wurde ich 1972 Spartakiadesieger. In der DDR war das für junge Sportler ein wichtiger Titel. Vier Jahre später segelte ich in der Einmann-Jolle Finn-Dinghi in Montreal zu meinem ersten Olympiasieg.
Gespräch: Günter Berg
Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/121894.html


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